helmut metzner

 

 

 

 

 

helmut metzner

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

helmut metzner wandbild weimar

Entwurf: Helmut Metzner

 

 

 

 

 

 

 

 

helmut metzner

Das Wandbild (Ausschnitt)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Volker Thomae: Betrachtung zu den Bildern von Helmut Metzner

 

Die „tastenden Linien" sind allen Arbeiten eigentümlich.
Organische Linienführung, so wie Wurzelgeflechte entstehen oder wie Ranken, die Licht und Halt suchen. Manchmal brechen die Linien ab; Linienstränge, von denen nicht alle das Verknüpfungsziel finden.

Einige Arbeiten öffnen sich in ein freies Spiel der mathematischen Phantasie. Dann werden die Linien bestimmter, aber „tastende Linien" sind sie immer noch (Erinnerungsquelle).

Die Farben der Arbeiten haben hauptsächlich, teilweise sogar ausschließlich, den Sinn von Ebenen, von mathematischen Räumen, Hintergrundsgitter, auf dem die Linie nicht schwimmt, in das sie fallen kann, oder ihr Gleichgewicht halten. Farbe als Dimension.

Manche Arbeiten, meistens die älteren, beben vom Tasten.
Sie ziehen ihren Weg in einer verwahrlosten Stacheligkeit. Anderen gibt die Farbe einen Raum der Heiterkeit. Die Vernetzungen sind heiter. Das Tastende ist nur noch Erinnerung.

Die neuesten Arbeiten zeigen die Freude am Spiel der Sequenzen, Gestänge, Vernetzungen.
Die Linien stehen am Übergang vom Tastenden zum Bestimmenden. Der Kontrast von Schwarz und Weiß bedeutet eher einen mathematischen Raum als sinnliche Erfahrung. Vor dem schwarzen Loch spielen die Formen.

Ein delikater Sonderweg ist die Technik der zwei Ebenen: Jede Ebene hat ihre eigenständige Figuration.
Sie vereinigen sich im Durcheinanderscheinen (Pergamenteffekt) zärtlich.

Volker Thomae, 1998

 

Helmut Metzner: Anmerkungen zum Wandbild im Sonderlesesaal Anna Amalia Bibliothe

Zur Bibliothek: Gedächtnis, Gegenwart, Zukunft

Ein mehrteiliger, gewachsener Baukörper, der die Spuren seiner Entstehung und seines - teils schmerzhaften - Wachstums und Bestehens nicht verbergen kann. Die Bibliothek ist Vision, Anstrengung und liebevolle Organisation. Sie ist unser Gedächtnis, sie sollte Grundlage menschlicher Gegenwart sein und wird immer ein einsehbarer Weg neu zu gestaltender Zukunft bleiben. Die Bibliothek muss politisch gewollt sein und von uns allen getragen werden. Ausformung und Gestaltung (Neugestaltung) sollte sich in den oben genannten Koordinaten von Gedächtnis, Gegenwart und Zukunft bewegen.

 

Der Sonderlesesaal

In dem historischen Baukörper HAAG wird im obersten Geschoss (Dachraum), der 2004 gänzlich dem Brand zum Opfer fiel, ein moderner Raum entstehen, der sich grundsätzlich in Ausmaßen und Volumen an dem alten Dachgeschoss orientiert, sich aber aus Gründen der Nutzung, Wärmedämmung, Klimaschutz etc. neue eigene Schwerpunkte sucht. Nördlich wie südlich wird der Raum durch zwei leicht gebogene, etwas vorstehende Abschlusswände (ca. 2,40 m x 6,20 m) begrenzt. Die südliche

Wand soll eine Bildgestaltung bekommen, die den zeitgemäßen modernen Eindruck des Raumes unterstützen und mitprägen muss.

 

Das Wandbild

Die Fläche der Wand, die durch ein „Bild" künstlerisch gestaltet werden soll, ist im Verhältnis zur Raumhöhe sowie auch zur Grundfläche schwierig, da allein durch ihre Größe die Gefahr zur Dominanz besteht. Darüber hinaus wird die Wand durch ein illusionistisches Deckengemälde und einen im Raum befindlichen transparenten Glaskubus, der die historische Balustrade aufnimmt, begrenzt.
Unter diesen Gesichtspunkten schlage ich daher folgende Wandgestaltung vor:

1. Entsprechend der oben skizzierten Grundsätze wie auch aufgrund einer endgültigen Raum- und Farbgestaltung soll das Wandbild ganzflächig aber mit einem umlaufenden Rand von ca.15 cm bemalt werden. Der Grundfarbton des Bildes soll grundsätzlich hell - von weißbeige bis graubeige - gehalten sein.

Das Bild soll in jedem Augenblick anwesend und präsent sein, gleichzeitig muss es die Eigenschaft haben, zurücktreten zu können und nicht dominieren zu wollen. Das Bild soll sich zeigen, darf aber nicht die Freiheit und Konzentration der im Lesesaal Forschenden beeinträchtigen. Das Bild soll stimulieren, nicht vordergründig plakatieren. Das Bild soll eine Aura schaffen, die der Anwesende betreten kann, so er denn will.

2. Bildgrund sind auf die Wand aufgetragene Literaturseiten, Literaturzitate, Druckfragmente, Schriften und Namen in unterschiedlicher Form und Buchstabengröße. Dieser Grund wird durch mehrfach lasierende Übermalungen überdeckt, jedoch so, dass das geschriebene Wort sich weiterhin schemenhaft zeigen kann, nicht aber zu deutlich wird. Einrisse und linienhafteAuskratzungen werden Hinweise und inhaltliche Bezüge herstellen, weiterhin Bildtiefe und Lebendigkeit erzeugen. Durch schablonenhaft aufgetragene helle Linien wird in einem weiteren Arbeitsgang eine obere Ebene geschaffen, die auf mögliche alternative Verknüpfungen hinweisen kann. Eine dritte Ebene wird durch das Auftragen von horizontalen und senkrechten Farbbalken und Farbquadraten erzeugt. Diese Farbbalken symbolisieren Orientierung und Ordnungsprinzipien, Gestaltungswillen, positive wie negative Energien, die gebunden und gestalterisch genutzt werden sollen. Die Bibliothek soll sich somit als Raum von Ideen, Wissen und organisierter Kraft darstellen, die intellektueller Entwicklung verpflichtet ist - als „idealer Ort" menschlichen Geistes.

 

3. Da die endgültige Raumgestaltung bzw. ein abschließendes Raumgefühl momentan nur vage zu bestimmen ist, schlage ich weiterhin vor, das Wandbild zwar in oben beschriebener Form auszuführen, die letztendliche Größe aber vom Gesamteindruck des dann fertigen Raumes abhängig zu machen.
Berlin/Reetz im September 2006

 

Karl E. Johnson: Zwei Einbildungen (zu Helmut Metzner)

Eingeschlossen in einer Welt, die ausschließlich von Bildern bevölkert ist, habe ich zwei Einbildungen. Die eine ist fast denkbar, die andere so denkbar wie jene Welt in sich.
I
Ein verirrter Reisender studiert eine Landkarte. Er begreift die dünne Version wirklicher Volumen nicht. Linien und Kurven, die kein Gegenstück in seinem Denken bilden. Blaupausen, die das äußerliche Podest des gesuchten Ortes ignorieren. Das Lesen der Landkarte gleicht dem Versuch, die Äste von Winterbäumen richtig zu lesen: die auf offenem Himmel gezeichneten X- und V-Konfigurationen. Die Landkarte deutet auf eine Sturheit der Realität: Ort weigert sich, Form zu werden. Aber die Suche wird fortgesetzt. Mit der Sorgfalt von Handlesekunst. In der Handfläche der Landkarte sieht der Reisende ein Leitungsnetz. Es scheint die aufgezeichneten Orte zu elektrifizieren: mit Spiralen und Bindestrichen, die vielleicht Flüsse und Straßen sind, und T - Formen, die Denkmäler sein könnten. Die Desorientierung übertrifft das Verlorensein.
II
Eine Landkarte studiert einen verirrten Reisenden. Sie begreift nicht seinen Ernst vor der Reise angesichts des bedruckten Blattes. Bestimmungsorte sollen erst im Augenblick des Ankommens ernst genommen werden. Das jetzige Aufspüren des Ortes gleicht dem Versuch, eine Fremdheitsmaschine zu starten: eine Tastatur grafischer Befehle, die die deutliche Undeutlichkeit anatomischer Zeichnungen kennen. Die Bemühungen des Reisenden deuten auf eine Sturheit der Realität: Ort weigert sich, Form zu werden. Aber die Suche wird fortgesetzt. Mit der Sorgfalt von Handlesekunst. In der Handfläche des Reisenden sieht die Landkarte ein Leitungsnetz. Es scheint sein Fleisch mit Gesten zu elektrifizieren: wachsige Gräben und Schwellungen, die flach werden beim Anfassen und ein Tastsinn wie ein Garten der Nervosität, überwucherte mit Ich - Unkraut. Das Verlorensein übertrifft die Desorientierung.

 

 

Hellmut Seemann: Zu einem Wandbild von Helmut Metzner

Wer heute vom Stadtschloss zu Weimar hinüberschaut zum historischen Bibliotheksgebäude, gewinnt den Eindruck, als sei niemals etwas Schlimmes geschehen. Das Äußere des zierlichen Baus ist soweit wiederhergestellt, dass man denken könnte, auch im Innern des Hauses sei die altehrwürdige Bibliothek Herzogin Anna Amalias sicher in ihrem Rokokogehäuse untergebracht. Wie sehr dieser Eindruck - noch - täuscht, wird dem klar, der das Gebäude tatsächlich betritt. Überall intensives Werken und Schaffen, Dutzende von Fachkräften, die alle auf den großen Tag hinarbeiten, an dem diese so schwer geschädigte Bibliothek tatsächlich ihrer Bestimmung erneut wird übergeben werden können: den 24. Oktober 2007.

In einem halben Jahr also wird tatsächlich alles wieder beim alten sein? Keineswegs. Tausende, ja zehntausende von Büchern werden für immer zerstört bleiben, mehr als ein Jahrzehnt wird vergehen, bis die Schäden, die restaurierbar erscheinen, tatsächlich restauriert sein werden. Aber auch das Gebäude selbst bleibt ein Gebäude nach der Katastrophe, ein altes Haus in einem neuen Lebensabschnitt. Vieles wurde restauriert, vieles wurde hinzugewonnen, was vor der Katastrophe unzugänglich oder verschandelt war. Im Bereich des eigentlichen Brandherdes jedoch kommen wir in ein neues Gebäude. Wo wir nach dem Brand auf der Decke des Rokokosaales unter freiem Himmel standen, wird der Sonderlesesaal der Herzogin Anna Amalia Bibliothek für die Forscher zur Verfügung stehen. Dort, wo einst 70.000 Bände alten Bibliotheksbestandes magaziniert waren, werden großzügige Arbeitstische auf ihre Benutzer warten. Ein neues Ambiente, eine neue Funktion.

Für diesen Ort haben wir nach einer gültigen künstlerischen Zeichensetzung gesucht. Unser Architekt, Watther Grunwald, hat in den neuen Raum zwei konkav geschwungene Wände eingestellt. Jene an der Stirnseite des Lesesaales wird die Arbeit von Helmut Metzner aufnehmen.

Es gelingt dem Künstler, ein wirkliches Bild zu malen, obwohl er sich der Mittel der Collage bedient. Der Blick des Betrachters kann in der Landschaft dieses Bildes spazieren gehen, ohne von dem, womit sich sein Geist gerade beschäftigt, deswegen
auf Abwege geführt zu werden. Das Bild ist selbst eine Bibliothek, eine beschädigte Bibliothek, die dennoch nach der Struktur des Wissens und der Vergewisserung weiterhin Ausschau hält. An diesem Ort, an dem nicht nur 70.000 Bücher, sondern auch 35 Bilder aus dem 16. bis 18. Jahrhundert Opfer der Flammen wurden, stellt Helmut Metzner ein Bild aus, das eines unserer Epoche ist. Es reflektiert den Ort, für den es entsteht, und es reflektiert zugleich den Verlust, der hier gegenwärtig bleibt. Aber es tut dies nicht wie ein Fanal, sondern ganz im Gegenteil, indem es die unverwüstliche Beharrlichkeit des Textes zur Grundlage eines großen ästhetischen Erlebnisses werden lässt. So ist es ein Bild des Gedächtnisses und damit der Erinnerung an das Geschehene und Verlorene, aber zugleich ein sehr kraftvolles bildliches Votum für die Unzerstörbarkeit dessen, was ein Text in sich aufbewahrt. „Teppich des Lebens" nannte Stephan George einen seiner frühen Gedichtbände, „Teppich des Lesens", auf dem die Augen zugleich ruhen können, möchte ich die Arbeit Helmut Metzners nennen.

Es ist dies ein für den Raum wie für die hier zu lösende ästhetische Aufgabe so kongeniales Werk, dass die Entscheidung der Jury im vergangenen Jahr trotz hochkarätiger Alternativen, die zur Beurteilung standen, rasch und einstimmig gefallen ist.

Ohne dieses Werk der Kunst im ehemaligen Schatzhaus der Herzöge von Sachsen-Weimar und Eisenach bliebe die Wiederherstellung dieses vielleicht kostbarsten Gebäudes der Klassik Stiftung Weimar unvollendet.


 

Helmut Metzner: Anmerkungen zum Wandbild im Sonderlesesaal Anna Amalia Bibliothek

Karl E. Johnson: Zwei Einbildungen (zu Helmut Metzner)

Hellmut Seemann: Zu einem Wandbild von Helmut Metzner